Jörg Widmann (durée : 5'18''21)
extraits de "Frei Stücke 1 & 4 " interprétés par l'Ensemble Modern, Ltg. sous la direction de Dominique My -
Enregistrement : WERGO 2003 (WER 6555 2) - Deutscher Musikrat gGmbH - Editeur de partition : © SCHOTT MUSIC, Mainz - Allemagne
" Also bei mir hat eigentlich alles angefangen mit dem Instrument. Ich habe ja mit Klarinette angefangen, als ich sieben Jahre alt war. Also ich habe natürlich kleine Stücke gespielt, aber vor allem improvisiert... Daraus kam dann der Wunsch, das fixieren zu sollen, weil es für mich traurig war, dass ich mich nicht erinnern konnte, das ich an einem Tag gespielt hatte, dass ich das nicht mehr wusste am nächsten Tag. Und das war für mich, für viele Jahre am Anfang die einzige Funktion, das aufzuschreiben. Ich bin überzeugt, dass durch das Papier eine vollkommen andere Sache herauskommen soll. Aber der Ursprung, weil wir über die Ursprünge sprechen, kommt bei mir aus der Improvisation. Für mich ist ein Ton ein Lebewesen, das hat einen Kopf, einen Körper und auch einen, wie auch immer gearteten Schluss. Das heisst, dass ich das manchmal wie ein rohes Ei behandle, oder wie einen Edelstein : das ist für mich etwas Kostbares. Die andere Frage ist natürlich die Konzeption von der Zeit, und die ist für mich ganz zentral, weil natürlich die Musik, mehr als jede andere Kunst, natürlich eine Zeitkunst ist : ein Ton erklingt in der Zeit. Also ich komponiere sehr oft nachts. Es ist schlicht und einfach deshalb, weil ich tagsüber spiele, weil ich Musik mache, weil ich unterrichte. Also mein Kompositionswerkzeug - was ich benutze - hat sich nie verändert
und war schon immer extrem altmodisch, und zwar ich habe nur einen Stift, Notenpapier, Radiergummi und einen Spitzer. Ich glaube ich könnte einen so grossen Tisch haben wie ich wollte, er wird immer voll sein, es wird immer Chaos sein. Aber das ist ja auch schon komponieren : komponieren ist ja auch schon, in das Chaos Ordnung hineinbringen, oder auch Chaos in die Ordung hineinbringen ist auch schon komponieren. Es ist ja immer eine Krise eigentlich, das Komponieren...während des Komponierens. Das ist, wie wenn eine Krankheit ausbricht, oder etwas Schönes, oder man kann auch sagen... eine Geburt. Aber bis es dazu kommt, es ist eine unangenehme Phase des Wartens. Und dann gab es für mich irgendwann einen Punkt, wo ich mich in der musikalischen Landschaft eines gefühlt habe, nämlich frei und ich wollte diesem Gefühl, wenn man so will, Ausdruck verleihen. Und dieses Stück, ich weiss es noch genau, ich habe es an einem Nachmittag geschrieben, aber man muss oft lange warten, bis man so ein Stück an einem Nachmittag schreiben kann, und ich glaube, diese Obsession und auch diesen Druck spürt man diesem Stück an. Ich glaube, wenn man die Partitur anschaut des vierten Stückes, man sieht genau, worum es in diesem Stück geht : Es gibt zwei Linien von den zwei Flöten und von den zwei Klarinetten, die komplementär gedacht sind. Das wäre vielleicht eine mögliche Zeichnung auch davon, es wären Wellen : also eine genaue Teilung zwischen den Bläsern und den Streichern und in den Streichern passiert etwas extreme perkussives, sie spielen nämlich lauter saltandi und collegno. In « Freie Stücke » ist es so, das ist so langsame Musik die ersten drei Sätze, die dauern so lange, es ist so quälend langsam, es muss explodieren an einem Moment ! Das ist dieses vierte Stück, es ist, wie wenn man einatmet und nicht mehr kann... und plötzlich geht es los."
PRODUCTION : PANDORE/LGM - REALISATION : Yan PROEFROCK (PANDORE) - POSTPRODUCTION : PANDORE - DIFFUSION : MEZZO